Die Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege entwickelt und unterstützt aktuelle themenbezogene Forschungsprojekte. Für das Themengebiet der Städtebaulichen Denkmalpflege besteht ein besonders hoher Bedarf an der Erforschung grundlegender und vertiefender Fragestellungen. Im Fokus stehen dabei insbesondere interdisziplinäre Ansätze.
Mit den Riesen auf Augenhöhe
Im ersten Schritt des Projektes „Mit den Riesen auf Augenhöhe“ haben die Fachgruppenmitglieder Alexandra Apfelbaum, Gudrun Escher und Yasemin Utku insbesondere die aktuellen öffentlichen Debatten in den Medien zum Umgang mit diesen Riesen und historisches Material ausgewertet. In der Gegenüberstellung der ursprünglichen Ideen zur Nutzung, der Struktur und dem stadträumlichen Kontext mit heutigen Anforderungen ergeben sich jenseits der visuellen Massivität neue Perspektiven auf die vielfach überformten oder vergessenen konzeptionellen Qualitäten. Diese Untersuchung wird um eine persönliche Herangehensweise des Fotografen Ben Kuhlmann an die Riesen ergänzt.
Daran knüpfte im Herbst 2017 die dezentrale Veranstaltungsreihe „Mit den Riesen auf Augenhöhe“ an, die in Kooperation mit den örtlichen Volkshochschulen durchgeführt wurde. In Aachen, Bochum, Bonn, Essen, Dortmund, Duisburg, Köln und Marl wurden die Besonderheiten des jeweiligen Bauwerks nachvollziehbar: im Rahmen einer Abendveranstaltung wurden die Objekte besichtigt und mit unterschiedlichen Akteuren öffentlich und aus unterschiedlichen Blickwinkeln diskutiert.
Die Ergebnisse der Untersuchung können hier heruntergeladen werden.
Download: Bericht zum Projekt in der Bauwelt 19.2017 / StadtBauwelt 215
Weiterbauen historisch geprägter Stadtstrukturen
Die Qualität des Einfügens im städtebaulichen Kontext
Die ungebrochene Beliebtheit historischer Stadtquartiere sowie neuere Tendenzen zur Historisierung und Rekonstruktion in Architektur und Städtebau verweisen darauf, dass gebaute Umwelt nicht nur in Bezug auf funktionale und ästhetische Eigenschaften wahrgenommen wird. Historisch wertvolle Bausubstanz ermöglicht haptisch und erlebbar einen Einblick in die Kultur- und Baugeschichte des Ortes und bietet Ankerpunkte für das persönliche und kollektive Gedächtnis. Für Kommunen stellt der Umgang mit historisch geprägten Stadtquartieren aber auch eine große Herausforderung dar: Es gilt, zeitgemäße Anforderungen aufgrund sich wandelnder ökonomischer, demografischer und sozialer Rahmenbedingungen an die Nutzbarkeit und die Nachhaltigkeit in bestehende Strukturen einzuweben, ohne überlieferte Qualitäten und (kollektive) Identitätszuschreibungen aufzugeben. Ein wichtiges Ziel dabei ist es, die Bau- und Nutzungsstrukturen so weiterzuentwickeln, dass diese Stadträume als Wohn- und Lebensstandorte gesichert und gestärkt werden. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt des Weiterbauens umfasst die Gestaltqualität der einzufügenden Neubauten in historisch geprägte stadträumliche Kontexte.
Wie aber kann Gestaltqualität bei der Einfügung von Neubauten gewährleistet oder befördert werden? Was kennzeichnet Gestaltqualität; was sind Merkmale? Was theoretisch schlüssig ableitbar erscheint, erweist sich in der Praxis häufig als äußerst schwierig. Zum Teil bestehen Informationsdefizite sowohl hinsichtlich der Rahmenvorgaben und Kriterien für solche Projekte, teils herrscht auch eine Unsicherheit im Bereich der Vorbereitung, Planung und Durchführung von Neubaumaßnahmen in historisch geprägter Umgebung. Chancen, die sich gerade aus den Rahmenbedingungen der umgebenden gewachsenen Bausubstanz ergeben, werden oft nicht erkannt und auch zu wenig genutzt.
Der vorliegende Beitrag diskutiert, ob sich anhand einer Analyse gebauter Beispiele verallgemeinerbare Kriterien für ein qualitätsvolles Bauen im historischen Kontext ableiten lassen. Der Beitrag erläutert zunächst allgemeine Prinzipien der „Einfügung“ in ihren städtebaulichen und architektonischen Aspekten, um dann auf Verfahren und Instrumente der Gestaltsicherung einzugehen. Hierauf aufbauend werden ausgewählte ‚best-practice‘ Beispiele vorgestellt, welche ein Weiterbauen in historisch geprägten Stadtquartieren angemessen illustrieren und nachvollziehbar machen. Abschließend werden Handlungsansätze und Empfehlungen für die Planungspraxis skizziert.
Autoreninnen und Autoren:
Magdalena Leyser-Droste/ Christa Reicher/ Yasemin Utku/ Andreas Wesener/ Gudrun Escher
Ein Beitrag in Forum Stadt , Jg. 43, Heft 03/2016, S. 279–294
Literaturangabe:
Leyser-Droste, Magdalena; Reicher, Christa; Utku, Yasemin; Wesener, Andreas; Escher, Gudrun (2016): Weiterbauen historisch geprägter Stadtstrukturen. Die Qualität des Einfügens im städtebaulichen Kontext. In: Forum Stadt, Jg. 43, H. 03/2016, S. 279–294.
Mit den RIESEN auf Augenhöhe 
Großstrukturen der 1960er und 1970er Jahre wie Verwaltungs-, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, Geschäftsbauten oder ganze Zentren und komplexe Anlagen befinden sich aktuell im Wandel, weil sie den derzeitigen und perspektivischen funktionalen Anforderungen nicht mehr gerecht werden oder inzwischen sanierungsbedürftig sind. Vielfach wird schon aufgrund der Größe der Bauten und Anlagen ein Abbruch der Weiterentwicklung vorgezogen. Gleichwohl weisen zahlreiche dieser Riesen in ihrem Inneren flexible und nutzungsoffene Strukturen auf, die eine weitere Auseinandersetzung mit dem Bestand lohnenswert erscheinen lassen.
Derzeit werden erste Tendenzen sichtbar, die einen neuen Umgang mit der „ungeliebten“ Nachkriegsmoderne, insbesondere den sperrigen Strukturen, suchen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie die Riesen als Bausteine einer aktiven und nachhaltigen Stadtentwicklung dienen können. Ziel der Studie ist eine Annäherung und Auseinandersetzung mit den Riesen auf Augenhöhe; eine differenzierende Analyse der Großstrukturen in Abhängigkeit von ihrer Nutzung, ihrer Struktur, ihrem Kontext und ihrer regionalen Prägung. Damit soll der Blick auf die Riesen geweitet und jenseits der visuellen Massivität ein Zugang zu den vielfach überformten oder vergessenen konzeptionellen Qualitäten hergestellt werden. Die Ergebnisse der Untersuchung werden anschließend öffentlich dokumentiert.
Die Studie wird von Mitgliedern der Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege (Dr. Alexandra Apfelbaum, Dr. Gudrun Escher, Yasemin Utku) bearbeitet und von der Landesinitiative StadtBauKultur NRW 2020 im Themenfeld UmBauKultur unterstützt. http://www.stadtbaukultur-nrw.de/projekte/riesen/
„Zollverein und die industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet.
Ein Vorschlag für das UNESCO-Welterbe“ als Teilprojekt aus dem Starterprojekt „Urbanismus in der Agglomeration Ruhr im internationalen Vergleich“, gefördert vom Regionalverband Ruhr (RVR) und dem Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr (MBWSV).
Das zweijährige Starterprojekt „Urbanismus in der Agglomeration Ruhr im internationalen Vergleich“ bereitet Bausteine für ein internationales Großprojekt zur Urbanismus-Forschung über die Agglomeration vor, das in Kooperation mit anderen Forschungseinrichtungen der UAMR und federführend von der Fakultät Raumplanung an der TU Dortmund durchgeführt werden soll. Eingebunden in das Starterprojekt wird eine wissenschaftliche Grundlage für die Bewerbung „Zollverein und die industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ für eine Welterbestätte der UNESCO erarbeitet.
Die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur als Initiatorin der Bewerbung beschreibt in ihrem Status-Quo-Bericht im September 2013: „Die Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet ist in ihrer heutigen Erscheinung das Ergebnis einer Kombination besonderer raumspezifischer Gegebenheiten, insbesondere der Kohlevorkommen, mit der Nutzung technologischer Innovationen. Im Zuge der industriellen Entwicklung hat sich das Ruhrgebiet seit Beginn des 19. Jahrhunderts von einer eher spärlich besiedelten vorwiegend landwirtschaftlich geprägten Region zu einem der größten urban-industriellen Ballungsräume Europas mit herausragender Industriekultur und -natur, spezifischer Urbanität und unverwechselbaren Lebenswelten entwickelt. Diese industriell geprägte Kulturlandschaft, in der heute 5 Millionen Menschen leben, ist weltweit einmalig und universell bedeutsam. Angesichts der Komplexität dieser im Strukturwandel befindlichen Kulturlandschaft ist dies ein ambitioniertes Vorhaben, welches die Notwendigkeit internationaler Dialoge unumgänglich macht. Dieser Prozess erfordert Zeit. Er verlangt international vergleichende Forschungsarbeit und entsprechende Verständigungen, die alle bereits begonnen haben.“
Konkret wird im Rahmen des Projektes die industrielle Kultur- und Folgelandschaft im Ruhrgebiet formuliert und es wird eine Methodik entwickelt, wie sie verstanden, definiert, kategorisiert, analysiert und schlussendlich dargestellt werden kann. Der Fokus liegt hierbei vor allem auf der Herausarbeitung von noch ablesbaren funktionalen Zusammenhängen. Eine Verknüpfung der einzelnen Stätten mit der sie umgebenden Kulturlandschaft muss hergeleitet und dargestellt werden. Regionale und netzartige Strukturen wie Werksbahnen, Eisenbahnen, Verkehrsadern, Wasserwege und Leitungen verbinden die einzelnen funktionalen Zusammenhänge auf einer Makroebene miteinander. Mit Hilfe eines eigens entwickelten Analyserasters werden die Siedlungs- und die Landschaftsstruktur des Ruhrgebiets auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen erforscht.
Das Fachgebiet Städtebau, Stadtgestaltung und Bauleitplanung ist neben anderen Kooperationspartner der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur. Katja Schlisio erforscht im Rahmen des Projektes Grundlagen zum Ruhrgebiet und berät die Stiftung als Mitglied einer Expertenrunde in regelmäßig stattfindenden Sitzungen zur methodischen und strukturellen Vorgehensweise.
Gartenstadt der Zukunft
Projekt im Rahmenprogramm zur Energiewende in den Kommunen des Ruhrgebiets, gefördert durch die Stiftung Mercator.
Der Wohngebäudebestand ist für einen großen Teil des städtischen Energieverbrauchs verantwortlich. Die Städte Gelsenkirchen und Herten bekennen sich seit vielen Jahren zu dieser Verantwortung und betreiben aktiv Klimaschutz. Das Forschungsprojekt hat einen interkommunalen Fokus und betrachtet die Quartiere Hassel (Gelsenkirchen) sowie Westerholt und Bertlich (Herten). Die dortigen Zechensiedlungen sind nach dem Prinzip der Gartenstadt gebaut worden und zeichnen sich durch entsprechende typische Landschafts-, Freiraum- und Gebäudestrukturen aus, die häufig im Ruhrgebiet vorzufinden sind. Der Untersuchungsraum selbst und die bereits existierenden vielfältigen Initiativen scheinen daher für übertragbare Entwicklungskonzepte geeignet zu sein. Konkrete Projektziele im Umbauprozess dieser für das Ruhrgebiet charakteristischen Siedlungsstruktur der traditionellen Gartenstadt sind:
ein Zukunftsbild von der Gartenstadt zu entwickeln, das die energetische Optimierung des Wohngebäudebestandes mit baukulturellen und freiraumplanerischen Ansprüchen zusammenführt und Synergieeffekte durch den Einbezug der Akteure vor Ort generiert.
Synergieeffekte im Prozess der Umsetzung nutzbar zu machen, um Kosten und Ressourcen im Sinne der gemeinsam handelnden Akteure einzusparen.
aus dem Umsetzungsprojekt der energieeffizienten Gartenstadt übertragbare Erkenntnisse zu gewinnen, damit aus einem Pilotprojekt ein Standardverfahren für die „Gartenstadt der Zukunft“ werden kann.
Das Projektteam setzt sich aus Vertretern unterschiedlicher Institutionen zusammen:
– Dr. Sabine Wischermann; Klimabündnis Gelsenkirchen-Herten e.V. (Leitung), Wissenschaftspark Gelsenkirchen GmbH
– Anne Söfker- Rieniets, Christian Hemkendreis; TU Dortmund, Fachgebiet Städtebau, Stadtgestaltung und Bauleitplanung
– Johannes Rolfes; RWTH Aachen University, Lehrstuhl Landschaftsarchitektur
Weitere Informationen: http://www.staedtebauleitplanung.de/cms/de/forschung/Forschungsprojekte/laufende/Gartenstadt-der-Zukunft/index.html
Das Projekt hat eine Laufzeit von 2014-2016 und wird punktuell von Yasemin Utku beraten.
Gute Beispiele für qualitätvolle Neubaumaßnahmen
im Städtebaulichen DenkmalschutzBBSR
Im Rahmen der Begleitforschung zum Städtebauförderungsprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz hat das ILS in Zusammenarbeit mit der TU Dortmund in 2012 und 2013 im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) ein Konzept für die Erstellung des Handlungsleitfadens „Gute Beispiele für qualitätsvolle Neubaumaßnahmen im Städtebaulichen Denkmalschutz“ entwickelt, Qualitätsmerkmale und Handlungsbausteine identifiziert sowie vorbildliche Projekte ausgewählt und detailliert dargestellt. Im Forschungsprojekt, das in der Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege verortet war, standen folgende Fragestellungen im Fokus der Betrachtungen:
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- Was ist ein qualitätsvoller Neubau?
- Welches sind die entscheidenden Kriterien? und
- Welche Prozesse und Instrumentarien befördern einen qualitätsvollen Neubau?
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Die Auswahl der Projektbeispiele zeigt neben einer ausgewogenen Verteilung innerhalb der Bundesrepublik eine Vielfalt an unterschiedlichen Nutzungen. So finden sich neben Wohn- und Bürogebäuden z.B. auch ein Kaufhaus, ein Museum, ein Rathaus und eine Bibliothek in dem Projektspektrum. Für die Abwägung der Qualität der Beispiele standen folgende Aspekte im Vordergrund: Einfügung, Gebrauchsfähigkeit und Verfahren.
Die Ausarbeitungen liegen derzeit beim BBSR und die Ergebnisse sind bislang noch nicht publiziert. An diesem Projekt arbeiteten Magdalema Leyser-Droste, Christa Reicher, Yasemin Utku und Gudrun Escher aus der Fachgruppe mit.
Hochwasserschutz für Lauenburg
Die Altstadt Lauenburg an der Elbe ist seit 2002 vier Mal von Hochwassern der Elbe heimgesucht worden – am Gravierendsten im Juni 2013. Die Häufung der Hochwasser hat zu erheblichen Schäden in der alten Bausubstanz, insbesondere der mittelalterlichen Fachwerkstruktur, geführt. Eine Gutachtergruppe ist beauftragt, eine Hochwasserschutzkonzept zu erarbeiten. Die Erarbeitung dieser Konzeption wird von einem interdisziplinär besetzten Wissenschaftlichen Beirat begleitet.
In diesem Beirat wirkten Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Christa Reicher und Dipl.-Ing. Yasemin Utku als Mitglieder der Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege mit.
Neubauvorhaben in der historischen Innenstadt von Strahlen
Zur Unterstützung der Bürgerinitiative in Straelen gegen ein als überdimensioniert und unangemessen gewertetes Neubauvorhaben in unmittelbarer Umgebung von Kirche und Marktplatz hat die Fachgruppe schriftlich eine Stellungnahme abgegeben. Zusätzlich gab es im Sommer 2014 eine öffentliche Anhörung mit Diskussion. In diesem Rahmen wurde ein Vortrag von Dr. Gudrun Escher zu Kriterien städtebaulicher Denkmalpflege und Risiken im konkreten Fall gehalten.
Die Bürgerinitiative berichtete, dass der Investor nach der Anhörung einen neuen Entwurf eingereicht habe, den jedoch die Kreisbehörde zurückreichte mit der Auflage, erst einmal den B-Plan für den Stadtkern anzupassen. Daraufhin habe der Investor seinen Entwurf zurückgezogen und will nun einen Architektenwettbewerb ausschreiben. Inzwischen hat der Stadtrat einer Verwaltungsvorlage mit dem Titel „Verfahrensvorschlag zur Steuerung raumbedeutsamer Bauvorhaben im Stadtgebiet“ zugestimmt. Diese Vorlage beschreibt zwar kaum mehr als die Bauordnung ohnehin vorsieht, wird aber als Ansatz zu künftig sorgfältigerem Vorgehen gewertet. Die Bürgerinitiative hat in einem offenen Brief zur Nachbesserung der Vorlage aufgerufen und schlägt u.a. eine Überarbeitung von B-Plan und Gestaltungssatzung für die Kernstadt vor sowie einen extern besetzten Gestaltungsbeirat.
Dr. Gudrun Escher hat für die Fachgruppe in dem Verfahren mitgewirkt.
(Stand: Dezember 2014)
Abb.: Situationsmodell. Quelle: Tecklenburg-Bau GmbH, Straelen