Jahrestagung Städtebauliche
Denkmalpflege 2022

LANDSCHAFTEN IM FOKUS – kulturelles Erbe als Chance

Kokerei Hansa | Dortmund | 27. Oktober. 2022

Foto: Uwe Grützner

Mitteleuropäische Landschaften sind kulturell geprägt. Sie waren im Lauf der Geschichte immer wieder durch bauliche Eingriffe Veränderungen ausgesetzt oder werden umgekehrt erst durch solche Veränderungen als Landschaft wahrgenommen. Vielerorts stehen Baudenkmäler und Denkmalensembles wie Klöster, Siedlungen oder Industrieanlagen in einem engen Wechselverhältnis zum sie umgebenden (Frei)Raum. Durch neuere Herausforderungen und Planungen geraten Denkmäler und Landschaften gleichermaßen unter Druck. Die elfte Jahrestagung der Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege widmete sich den vielfältigen Erscheinungsformen von Landschaften im städtischen Kontext und außerhalb urbaner Agglomerationen. Im Zentrum standen ein Bewusstmachen der Relevanz von Landschaft, Konzepte und Strategien im Umgang mit Landschaft und die Frage, ob und wie die Werte historischer wie neu entstandener Landschaften trotz Bauboom bewahrt und im Zeichen des Klimawandels sogar als Chance für die Zukunft begriffen werden können.

Der Ort für die Jahrestagung war passend zum Thema gewählt. Die Kokerei Hansa in Dortmund stehe stellvertretend für viele andere Orte, an denen die Symbiose aus Landschaft und kulturellem Erbe sichtbar wird, betonte Ursula Mehrfeld als Vorsitzende der Geschäftsführung der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur in ihrer Begrüßung. Wie relevant die Frage nach dem Umgang mit historischen und neuen Landschaften vor dem Hintergrund von Verdichtung, Wachstum und Klimawandel ist, haben Prof. Christa Reicher für die Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege und Ina Hanemann für das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bauen und Digitalisierung des Landes NRW in ihren Statements zum Auftakt der Tagung hervorgehoben.

In ihrem Eingangsreferat ging Dr. Dorothea Boesler, LWL- Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur, auf die „Raumwirkung von Denkmälern und Denkmalensembles in der Landschaft“ ein mit Hinweis auf das erst im Januar 2022 herausgegebene  entsprechende Arbeitsblatt des Vereins der Landesdenkmalfachämter. Damit habe der VdL methodisch Neuland betreten, indem die visuellen, funktionalen und strukturellen, aber auch assoziativen Bezüge eines Denkmals ebenso wie die bekannten objektbezogenen in den Blick genommen werden sollten. Der Begriff „Kulturgüter mit Raumwirkung“ müsse Eingang in die Nomenklatur finden. Manche Aspekte könnten sich bereits durch Kartenanalysen erschließen, eine Methode allerdings, die in keiner der relevanten Disziplinen zum Standard gehöre. Ein Beispiel der besonderen Art stellte im Anschluss Andre Dekker, Mitglied der Künstlergruppe Observatorium aus Rotterdam, vor in Gestalt des ehemaligen Fliegerhorstes der Deutschen Wehrmacht im Wald Veluwe bei Arnheim. Der bisher noch von der NATO genutzte Standort werde jetzt aufgegeben und es stelle sich die Frage, wie dieses Flächendenkmal mit 200 Einzelobjekten sich künftig zwischen Ansprüchen der Wirtschaft, des Naturschutzes und der benachbarten Metropole behaupten könne. Dekker plädierte dafür, die Freiräume für Kunst zu nutzen gemäß seiner Maxime „Kunst für das öffentliche Leben“.

Auf die Metaebene der Begrifflichkeiten führte schließlich Dr. Ing. Irene Wiese-von Ofen ein, fußend auf ihren Erfahrungen von der kommunalen bis zur globalen Ebene in Gremien der UN, für die UNESCO und als Vorstandsmitglied von EUROPAN  Deutschland. Sie spannte den Bogen von der Kleinräumigkeit des Japanischen Gartens, der dennoch das Ganze Große meint, bis zum landschaftlichen Freiraum in Ambivalenz zum Gebauten. Sie plädierte für eine systematische Auseinandersetzung mit und eine Differenzierung zwischen Freiraum, Landschaft und Natur. Die Klimaanpassung verlange zudem ein Umdeuten von Landschaft, so ihre These.

Der erste Themenblock galt landschaftlichen Prägungen in der Historie. Oft sind solche Prägungen nicht auf den ersten Blick erkennbar, wie Dr. Marion Brüggler, LVR-Amt für Bodendenkmalpflege, am Beispiel der Römer am Niederrhein anschaulich machte. Deren Eingriffe in die Landschaft reichen von Wasserleitungen, Straßen und Hafenanlagen am Rhein bis zu Siedlungen und heute verschwundenen Militärlagern. Sie gaben der Landschaft eine großräumliche Struktur, die bis heute nachwirkt. Eher kleinräumig konzipiert sind Klosteranlagen, die mit dem zugehörigen landwirtschaftlichen Betrieb immer schon eine abgeschlossene, fast autarke Welt für sich bildeten. Ulrike Rose, Dipl. Kauffrau und Kulturmanagerin, die sich aktuell besonders mit Frauenklöstern im Wandel befasst, berichtete von den Herausforderungen, die der Erhalt dieser einzigartigen Einheit von Gebautem und Klosterlandschaft mit sich bringt, wenn, was immer häufiger der Fall ist, Klostergemeinschaften aus wirtschaftlichen wie personellen Gründen verkleinert oder ganz aufgelöst werden müssen. Eine Lösung können Kooperativen sein, die wie im historisch bedeutenden Kloster Schlehdorf in Bayern Teile der Landwirtschaft übernommen haben. Den Schlusspunkt setzte Prof. Dr. Rolf Kuhn mit dem Fokus auf die Hinterlassenschaften der industriellen Ausbeutung von Landschaft in der Lausitz. Über das Vehikel der IBA Fürst-Pückler-Land gelang dort eine Umdeutung vom Menetekel des wirtschaftlichen Niedergangs zum Hoffnungsträger in einer neuartigen Ästhetik. Statt Endergebnisse anzupeilen gelte es „Zwischenlandschaften“ zu gestalten und dabei die Identität des Vorgefundenen zu wahren.

Im zweiten Themenblock wurde die Problematik des Flächenverbrauchs und damit der Gefährdung von „Landschaft“ mit Fakten unterlegt – soweit das überhaupt möglich ist. Wie Dr. Brigitte Adam, BBSR Bonn, ausführte, fehle eine bundesweit vergleichbare Statistik mit einheitlichen Definitionen dazu, was als Landschaft, Freiraum, Grünfläche etc. gelten soll; demnach seien auch Vergleiche zwischen verschiedenen Kommunen nahezu unmöglich. Als sich Mitte der 1980er Jahre eine rückläufige Bevölkerungsentwicklung in Westdeutschland abzeichnete, sei das Primat der Innenentwicklung in der Bauordnung festgeschrieben worden. Inzwischen aber wächst die Bevölkerung auf derzeit 84,1 Mio. Menschen mit steigender Tendenz. Baulandentwicklung und Bevölkerungszahlen korrelierten nicht. Tobias Flessenkemper erinnerte im Anschluss in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz daran, wie lange bereits der Verein auf die Gefährdung von Landschaft durch Überbeanspruchung hinweise. Er reflektierte vor allem auf den Energiesektor mit Blick auf das Ende des Braunkohletagebaus im Rheinischen Revier und mahnte eine „neue Energie für Denkmal- und Landschaftsschutz“ an, verbunden mit der Frage, für wen eigentlich Denkmale und Landschaften zu schützen seien und ob die „Reversibilität“ heutiger Maßnahmen in der Landschaftsnutzung nicht oft eine Mogelpackung sei.

Der dritte Themenblock öffnete Perspektiven auf Erhaltungsansätze, Methoden der Erforschung und Weichenstellungen für eine Zukunft mit Landschaften. Dipl.-Ing. Georgios Toubekis, ICOMOS und Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT in Aachen, berichtete aus der Feldforschung über die Kultur-Landschaft in dem abgelegenen Tal Bamiyan in Afghanistan mit den von Taliban zerstörten Buddha-Figuren, die in dem ruinösen Zustand den Welterbestatus erhielten. Nach Jahren der Arbeit vor Ort stelle sich die Frage, welche Wirkung Denkmalpflege für die Bildung einer resilienten Gesellschaft haben könne, in der durch Urbanisierung aus Bauern Bürger würden, in deren lokaler Sprache es kein Wort für „Kulturlandschaft“ gebe. Erhalt der kulturellen Identität sei nur mit den Menschen vor Ort möglich, mit einer aktiven Zivilgesellschaft für Kultur und Frieden, so die Erfahrung. Der Landschaftsarchitekt Andreas Kipar, Direktor von LAND, knüpfte dort nahtlos an, wenn er feststellte, dass es unter heutigen und künftigen Bedingungen des Klimaschutzes und des Kulturerhalts nicht mehr auf das Bauen ankomme, sondern auf das Kultivieren, eher Prozesse – gemeinsam mit den Menschen – gestalten als Gärten. Dabei habe die aktive Pflege durchaus eine gestalterische Dimension, wie ein Beispiel aus Südtirol zeige, wo sechzehn Gemeinden ihre Zukunftsplanung auf ethischen Grundsätzen neu ausrichten und zugleich neue ästhetische Maßstäbe setzen. Landschaft müsse weniger Beiwerk des Gebauten und eher zum Motor der Entwicklung werden.

Die Abschlussdiskussion, moderiert von Prof. Yasemin Utku, stellte die Frage, an welchen Schrauben man drehen müsse, um Kulturlandschaften als ernstzunehmende Größe zu etablieren. Dazu berichtete Dr. Marita Pfeifer von der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, dass zwar der Antrag zur Anerkennung der „Industriellen Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ als UNESCO-Welterbe gescheitert sei, aus den umfangreichen Vorarbeiten aber ein interdisziplinäres Kompetenznetzwerk sich gebildet habe, auf dem für die Zukunft aufgebaut werden könne. Das Hauptproblem bestehe auf Landesebene darin, so Ina Hanemann vom MHKBD NRW, dass zwar die Instrumente gut seien, aber fachübergreifende Ansätze in den getrennten Verwaltungsebenen „verloren“ gingen. Dem pflichtete Dr. Barbara Darr, Wald & Holz NRW, insofern bei, als eine Vorstellung von „Wildnis 4.0“ auf ehemals urbanen Flächen für Forstleute ungewohnt sei, aber Wald in der Stadt müsse mitgedacht werden und sei erhaltenswert. Lernen könnten Planer von Förstern, denn diese denken in Zeiträumen von 100 Jahren. In Kulturlandschaftsplänen fehle zumeist das wichtige Momentum der Kommunikation in die Gesellschaft, die erst das geforderte „Erhalten“ möglich mache. Die „Ökosystemleistung“ von Wald (oder gefährdeter Alleen wie entlang der B1 in Dortmund) brauche neue Allianzen für Denkmal und Landschaft, um wirken zu können.

Als eine Art Schlusswort propagierte der derzeitige Präsident des BDLA Stephan Lenzen das „neue Zeitalter der Landschaft“ und traf damit auf breite Zustimmung des Auditoriums.

Dr. Gudrun Escher für die Fachgruppe städtebauliche Denkmalpflege

Ein Rückblick auf die Jahrestagung Städtebauliche Denkmalpflege 2021

PATIENT INNENSTADT –
Therapie Denkmalpflege?

Brauchen wir noch Innenstädte und wozu?


Foto: Marcus Lumma

Unter den durch Corona bedingten Einschränkungen konnte die Jahrestagung in diesem Jahr in Präsenz und mit großem Echo in der Gebläsehalle des Industriedenkmals Henrichshütte in Hattingen stattfinden. Die Rolle der Innenstädte in einer sich durch die Folgen von Online-Handel und Pandemie stark wandelnden Konsumwelt wird vielfach diskutiert. Statt aber nur über Funktionen zu sprechen, stellte die Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege den Baubestand in den Fokus, das baukulturelle Erbe, das durch Leerstände und Mindernutzungen bedroht ist. In der Gastgeberstadt Hattingen habe sich die schon in den 1960er Jahren eingerichtete Fußgängerzone, aber auch das innerstädtische Kaufhaus bewährt, berichtete … in seiner Begrüßung. Thomas Schürmann vom Ministerium MHKBG NRW verwies in seinem Grußwort darauf, dass die Innenstadt schon lange ein „Patient“ sei und er verwies auf die umfangreichen Fördermaßnahmen des Landes NRW zur Stärkung der Innenstädte. Die Therapie heute könne nicht allein mit, aber auch nicht ohne Denkmalschutz erfolgreich sein. Allerdings sei die Anpassungsfähigkeit für Umnutzungen Voraussetzung für den Erhalt. Kultur müsse im Zentrum jeder Stadtentwicklung stehen und der öffentliche Raum, der immer mehr als ein Marktplatz gewesen sei, mache den Wert der europäischen Stadt aus.

Christian Huttenloher, Generalsekretär des DV, nahm den Faden auf mit Verweis auf das Positionspapier zur Baukultur von 2020. Die Neue Leipzig Charta habe das Dialogprinzip als Vorbild für neue Akteursallianzen in den Innenstädten etabliert. In ortsbezogenen Ansätzen müssten mehrere Ebenen zusammen gedacht werden für die grüne Stadt, die produktive Stadt und die gerechte Stadt. Neue „dritte Orte“ mit gemischten Nutzungen sollten gemeinwohlorientiert sein, ohne die Wirtschaftlichkeit aus dem Blick zu verlieren. Diesem Thema widmete sich Block II am Nachmittag mit einer Einführung aus immobilienwirtschaftlicher Sicht durch Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter von bulwiengesa. Eine wesentliche Erkenntnis daraus: Die Niedrigzinspolitik der vergangenen Jahre habe dazu beigetragen, die Bodenpreise explodieren zu lassen und dies wiederum zu dem aktuellen Missverhältnis zwischen Kosten und erzielbaren Mieten in den Erdgeschosszonen. Eine Lösung könne die Kompensation im Quartier darstellen. Aber neu entwickelte Quartiere verschärften mit ihren Erdgeschossnutzungen den Wettbewerb mit dem Bestand in den Innenstädten. Die bisherige Konsumgesellschaft habe sozial stark integrativ gewirkt. Diese gesellschaftliche Homogenität bestehe nicht mehr. Neue Managementansätze sollten Kommunen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft vernetzen. Wesentliche Treiber für den Erhalt von Bestandsgebäuden und deren Um- und Weiternutzung sei sowohl die Identifikation mit dem Ort und seinem Umfeld als auch die Schonung von Ressourcen, darin waren sich die Akteure in der Diskussionsrunde einig. Häuser, die die Menschen „mögen“, so eine Aussage von Stefan Kutscheid, Faco Immobilien, stellten dauerhaft einen Wert dar und fänden immer wieder angemessene Nutzungen.

Der Blick auf die Genese von Städten durch Prof. Dr.-Ing. Karsten Ley, hochschule 21 in Buxtehude, verdeutlichte den permanenten Wandel der Innenstädte in ihrer Körnigkeit mit Maßstabssprüngen und tiefgreifenden Veränderungen, seit das Bauen im 19. Jahrhundert industrialisiert wurde und der Effizienzgedanke zu wachsender Bebauungsdichte führte. Mit dem Erhalt von Innenstädten werde die materielle Quellenlage für Stadtgeschichte erhalten, deshalb sei städtebauliche Denkmalpflege so wichtig. Die „Therapie“ Fußgängerzone habe Innenstädte erst zur dominanten Einzelhandelszone gemacht, woran heute der „Patient Innenstadt“ krankt. Eine gute „Anamnese“ müsse die Morphologie bewusst machen im Zusammenspiel von Gestalt und Raum.

Die Monotonen Einzelhandelslagen mit ihren Schaufenstern schaffen keine Wohlfühlatmosphäre, das ergaben Befragungen in Essen. Es fehle in der traditionellen Einkaufsstadt das emotionale Zentrum, die „Bummel-Verfassung“ im Umfeld der kulturellen Orte. Menschen brauchen Orte, die sie kennen. Dies ergänzte Irene Wiese von Ofen aus dem reichen Fundus ihrer internationalen Erfahrungen. Authentizität ergebe sich nicht nur aus der Substanz des Gebauten, sondern auch aus der Bedeutung von Orten in einer „joint vision“ der Menschen. Wer sie einbezieht, kann auf einer hohen Akzeptanz aufbauen. Allerdings: nur Bewahren des Überkommenen sei kein Erhalt. In der Diskussion stellte sich heraus, dass in den Überlegungen zur Innenstadtbelebung die gegensätzlichen „Bilder“ sehr heterogener Bevölkerungsgruppen bisher kaum Beachtung finden und bauliche Veränderungen meist nur einem globalen Mainstream folgen.

Im Schlusspanel beschäftigte sich der Stadtplaner Rolf Junker noch einmal mit dem Phänomen der Fußgängerzonen. Sie waren der Anlass zum Bau von Umgehungsstraßen und Parkhäusern und sind heute „Ladenhüter“, deren Situation dadurch noch verschärft worden sei, dass innerstädtische Shoppingcenter nicht nur die Verkaufsflächen, sondern auch die zurückzulegenden Wege verdoppelt hätten. Die Probleme seien demnach weitgehend hausgemacht. Internethandel und Corona wirkten nur als Brandbeschleuniger. Er stimmte der Anregung von Wiese von Ofen zu, alternative Finanzierungsmodelle zu entwickeln etwa über Bürgerfonds. Daraus könnten Umbauprämien gezahlt oder Mietnachlässe gewährt werden, um die gestiegenen Kosten für Umbau und Umnutzung zu decken.

Die Praxisbeispiele verdeutlichten eindrucksvoll, welche kreativen Möglichkeiten ein unverstellter Blick auf Bestandsgebäude öffnet wie die „Neuen Höfe“ in Herne des Entwicklers Landmarken AG, die als Coverbild das Leitmotiv der Tagung lieferten. Eher spekulativ sind die Untersuchung aufgegebener Kaufhäuser und deren Potential in einem Masterstudiengang an der RWTH Aachen unter Anne-Julchen Bernhardt. Vor der Realisierung steht dagegen die Umwandlung der Hauptverwaltung der Telekom in Bochum. Dort begann der Denkprozess mit einem – ungebetenen – Vorschlag der Architekten Farwick – Grote und einer Bürgerbefragung: Stellt euch die Innenstadt ohne Einzelhandel vor – was bleibt dann? Jetzt entsteht dort das „Haus des Wissens“ mit VHS und einer UniverCity als Anker der Hochschulen in der Innenstadt plus Markthalle – ein offener „dritter„ Ort für alle, mit schöner Architektur.

In ihrer Zusammenfassung benannte Prof. Christa Reicher für die Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege noch einmal wesentliche Stichworte:

MEDIZIN:

  • Multicodierbarkeit von Bauten, Erdgeschossen, Denkmälern
  • Fußgängerzone neu gestalten – Nutzungswandel
  • “Dritte Orte“ – großmaßstäblich oder eher kleinteilig?
  • Bürgerfonds als neue Form der Finanzierung
  • Best Practice als Blaupause
  • Vision auch als emotionale Bilder

 THERAPIE:

  • „Denkmalpflege kann nicht alleine die Therapie sein.“(Schürmann)
  • Präventives Vorgehen versus „Operation am offenen Herzen“
  • Therapie alleine funktioniert nicht immer – braucht es nicht auch den Chirurgen? (Ley)

Alle diese Anregungen lassen sich nur im Diskurs in neuen Akteursallianzen mit verlässlichen Verantwortungsgemeinschaften umsetzen.

Dr. Gudrun Escher
für die Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege


Jahrestagung Städtebauliche Denkmalpflege 2021

PATIENT INNENSTADT –
Therapie Denkmalpflege?

Brauchen wir noch Innenstädte und wozu?

Die Innenstädte sind gebaut – aber immer mehr Häuser stehen leer. Viele von ihnen prägen das vertraute Gesicht der Innen-städte oder sie stehen sogar unter Denkmalschutz. Abriss und Neubau kann nicht die Lösung sein, um neuen Funktionen jenseits des Einzelhandels gerecht zu werden. Oft bieten alte Häuser erst die Atmosphäre, in der Neues Raum greifen kann.

Seit Jahren kämpfen die Geschäfte in den Innenstädten um ihre Existenz. Dieser Trend ist durch die Schließungsphasen während der Pandemie noch beschleunigt worden. Die Folgen waren und sind Geschäfts-schließungen von Kaufhäusern bis zum kleinen privat geführten Fachhandel. Leerstand breitet in den Erdgeschosszonen aus und schließlich droht die Verwahrlosung ganzer Straßenzüge unabhängig vom Charakter oder sogar dem Denkmalwert der Gebäude.

Allzu lange ist die Gleichung Innenstadt gleich stationärer Einzelhandel aufgegangen und die B-Pläne mit Nutzungseinschränkungen sind darauf abgestimmt. Jetzt wächst die Erkenntnis, dass die Monotonie der immer gleichen Einzelhandelszonen sich in der Krise als wenig resistent erweist. Neue Ideen und neue Konzepte für Mischnutzungen und mehr Aufenthaltsqualität in den Innenstädten werden diskutiert. Welche Rolle kann das baukulturelle Erbe in diesem Kontext als Identifikationsträger spielen, damit Innenstädte wieder zum Begegnungsort der Menschen werden? Wenn die Innenstädte ihr Gesicht bewahren sollen, muss das Bestehende neu und besser genutzt werden.

Download des Flyers mit Programm:
PATIENT INNENSTADT – Therapie Denkmalpflege (PDF 1,6MB)

Termin:
Donnerstag, 28. Oktober 2021

Uhrzeit:
9.00 bis 17.00 Uhr

Veranstaltungsort:
Gebläsehalle der Henrichshütte, Hattingen
Werksstraße 31-33

D-45527 Hattingen

Zur Anmeldung:
PATIENT INNENSTADT! -ANMALDUNG: unter
https://www.staedtebau.rwth-aachen.de/go/id/dggjn
(Anmeldeschluss 15.10 2021)

Anfahrtsskizze auf der Homepage:
www.lwl.org/industriemuseum/standorte/henrichshuette-hattingen


Veranstaltungsreihe
der Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege

Download des Flyers

‚Der‘ Städtebau deutscher Großwohnsiedlungen
16. September 2021, 16:00-18:00 Uhr

Freiraumgestaltungen in Großwohnsiedlungen
14. Oktober 2021, 16:00-18:00 Uhr

Funktionale Mischungen und Zentren
18. November 2021, 16:00-18:00 Uhr

Mobilitätskonzepte und -praktiken
16. Dezember 2021, 16:00-18:00 Uhr

Vom Wert des soziopolitischen Anspruchs und andere Imaginationen
20. Januar 2022, 16:00-18:00 Uhr

Masse und Klasse der Architektur. Vom Bauen und Erhalten
10. Februar 2022, 16:00-18:00 Uhr

Vom ,Großen Plan‘ und den ,kleinen und großen Veränderungen‘
10. März 2022,16:00-18:00 Uhr

Ein Blick nach Europa
14. April 2022, 16:00-18:00 Uhr

Permanenter Zoomlink
https://rwth.zoom.us/j/99120829780?pwd=NlBKZ2Ji TUw2d2pFV1ZFYk9ra1lxZz09
Meeting-ID: 991 2082 9780
Kenncode: 771578


Ein Rückblick auf die Jahrestagung Städtebauliche Denkmalpflege 2020
„STADT IN BEWEGUNG – Mobilität und Denkmalpflege“

Foto: Marcus Lumma

Die diesjährige Jahrestagung der Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege machte die Relevanz des gewählten Themas eindrucksvoll deutlich: „Mobilität und Denkmalpflege“ müssen zusammen gesehen und diskutiert werden, ehe für neue Formen der Mobilität im öffentlichen Raum Fakten geschaffen werden – allzu häufig auf Kosten von Denkmalbestand. Wie anpassungsfähig können Denkmäler sein? Welche Infrastrukturen sollen erhalten werden, und sind alternative Nutzungen denkbar? fragte Thomas Schürmann vom Ministerium MHKBG NRW im Rahmen seines Grußwortes. Prof. Christa Reicher hat stellvertretend für die Fachgruppe die Aktualität der Themenstellung umrissen: Mit der Klimakrise ist die sich immer weiter ausdehnende individuelle Mobilität in die Kritik geraten. Eine neue Ära scheint sich anzukündigen – mit neuen Chancen für den öffentlichen Raum und das Erleben von Stadt. Das Thema – verbunden mit dem Schlagwort einer „Verkehrswende“ – greift Raum auch im politischen Diskurs. Hattingen, wo in dem Industriedenkmal Henrichshütte die Tagung eigentlich hätte stattfinden sollen, hat die Position eines Mobilitätsmanagers geschaffen, wie Bürgermeister Dirk Glaser berichtete. Jedoch wegen der durch Corona bedingten Infektionsschutzmaßnahmen musste die Tagung in diesem Jahr in den virtuellen Raum verlagert werden. Wenn sie 2021 dann tatsächlich in Hattingen stattfindet, wird es interessant sein zu erfahren, inwieweit neue Mobilitätsformen zu neuen Weichenstellungen in Hattingen geführt haben.

Wie steht es tatsächlich mit der vielbeschworenen „Mobilität im Wandel“, fragte die Publizistin Dr. Ursula Baus und verdeutlichte in zahlreichen Einzelaspekten, wie stark die „autogerechte“ Stadt im Stadtorganismus bis hin zu einer „autogerechten Architektur“ des Einfamilienhauses mit Garage in unserem Verständnis von Stadt verankert ist. Selbst wenn neue Strukturen hinzukämen, blieben die Autos eine Realität samt der Aufgabe, sie irgendwo unterzubringen. Die autogerechte Stadt gehöre zur Menschheitsgeschichte und als solche müsse sich die Denkmalpflege mit dem Phänomen befassen. Ein Zurück zur vor-automobilen Stadt könne es nicht geben, auch wenn öffentliche Räume in einzelnen Bereichen autofrei gehalten werden. Dr. Dorothee Boesler, LWL, Amt für Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur, verwies darauf, dass das Amt damit begonnen habe, nach 1945 gestaltete Freiräume und damit auch solche, die vom Autoverkehr geprägt sind, denkmalrechtlich zu erfassen und zu bewerten. In ihrem Beitrag zur „Mobilität im historischen Kontext“ analysierte Dr. Elke Janßen-Schnabel, LVR, Amt für Denkmalpflege im Rheinland, die Geschichte der Stadtentwicklung im Hinblick auf die Erscheinungsformen von Mobilität. Ohne Mobilität gebe es keine Stadt, aber ohne Baudenkmale keine Fixpunkte der Orientierung. An einer ganzen Reihe von Praxisbeispielen erläuterte im Anschluss Dr. Jascha Braun, ebenfalls LVR, wie häufig Veränderungspläne mit Denkmalbeständen in Konflikt geraten. Er berichtete von Verlusten aber auch Lösungen zum Erhalt identitätsstiftender Verkehrsinfrastrukturen. In Düsseldorf habe sich das frühzeitige beratende Einbinden der Denkmalpflege in den Wettbewerb „Blaugrüner Ring“ positiv auf die Entscheidungen ausgewirkt.

Auch der Blick auf Best-Practice-Beispiele hat interessante Erkenntnisse zutage gefördert: Infrastrukturen, die ihre ursprüngliche Funktion verloren haben, können in neuer Funktion „gebraucht“ werden. Claus Kaminski vom Verein Wuppertalbewegung und Rüdiger Bleck, Ressortleiter der Wuppertaler Stadtentwicklung berichteten, wie die Nordbahntrasse in Wuppertal, die von einer Bahnstrecke in eine Fußgänger- und Fahrradstrecke umgewandelt wurde, mit hohem bürgerschaftlichem Engagement und hohem Qualitätsanspruch in der Ausgestaltung realisiert werden konnte. Dabei werden zahlreiche denkmalwerte Einzelbauwerke wie Brücken, Viadukte oder Tunnel erhalten und als identitätsstiftende Stadtbausteine aufgewertet. Ein neuer Blick auf unscheinbare Bestandsbauten wie Parkhäuser als Ressource, so führte der Architekt Prof. Jörg Leeser anschaulich aus, mache neue Potenziale sichtbar, erfordere aber auch Vertrauen in offene Prozesse. Es müssen beide Seiten lernen – Ideengeber und Verwaltungen –, damit gute Ansätze nicht durch allzu restriktive Vorschriften konterkariert werden wie z.B. die Forderung nach überbreiten Fahrbahnen und durchgängiger Beleuchtung bei Radschnellwegen.  Andererseits sollten Denkmalfibeln ggf. proaktiv Gestaltungsspielräume für neu hinzutretende Elemente wie Fahrradständer oder E-Ladesäulen definieren. Nicht zuletzt wurden an zwei Beispielen Zukunftskonzepte diskutiert, in denen neue Mobilität und Stadtentwicklung eng verzahnt werden wie die Ideen, die von Dr. Gerhard Gudergan von der RWTH Aachen für ein Netz von Mobilitätshubs und Luftshuttles für die Olympischen Spiele Rhein Ruhr City 2032 vorgestellt wurden. Am Beispiel von innerstädtischen Neubauquartieren zeigte Klaus Franken von der Catella GmbH auf, dass deren Verkehrsinfrastruktur zugunsten von Aufenthaltsqualität stark reduziert und damit ein Beitrag zur so genannten Verkehrswende geleistet werden kann.

In der angeregten Schlussdiskussion kristallisierten sich Empfehlungen heraus, die zum Weiterdenken anregen:

  • Möglichst früh miteinander ins Gespräch kommen
  • Best-Practice zeigen und Erkenntnisse übertragen
  • Einbettung von Identitätsorten in Zukunftskonzepte – auch in Mobilitätsstrategien
  • Verstärkt eine Qualitätsdiskussion führen
  • Visionäre Technologie als Lösungsansatz nutzen – trotz Ungewissheiten für Bestandsnutzung

Alle diese Empfehlungen lassen sich nur umsetzen, wenn Mobilität und Bestandsentwicklung im Sinne einer vernetzten Herangehensweise betrachtet und im engen Schulterschluss angepackt werden. Denn Stadt besser zu gestalten gehe nur mit zukunftsweisenden Mobilitätskonzepten. Diese wiederum können nur überzeugen, wenn sie vorhandene Qualitäten des Bestandes in Wert setzen und fördern.

Dr. Gudrun Escher
für die Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege NRW


Jahrestagung Städtebauliche Denkmalpflege 2020 

BEWEGUNG IN DER STADT:
Mobilität und Denkmalpflege

Die Mobilität steht vor einem radikalen Umbruch. Die anstehenden Veränderungen haben einen großen Einfluss auf den baulichen Bestand und die öffentlichen Räume. Jahrhundertelang war Mobilität von Menschen nur der privilegierten Oberschicht vorbehalten. Dies änderte sich mit der Industrialisierung, die den massenhaften Transport der Arbeiterschaft zu den großen Industrien erforderte, zuerst vor allem mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie Straßenbahnen, die erste infrastrukturelle Zäsuren in der kleinteiligen mittelalterlichen Stadt hervorriefen und gleichzeitig Verbindungslinien ins Umland schufen. Die dafür gebauten Trassen und ihre spätere Verlegung in Hochlage segmentierten die sich immer weiter ausdehnenden Stadtquartiere. Seit der Erfindung des Ottomotors verlagerte sich die Mobilität zunehmend auf den motorisierten Individualverkehr. Die autogerechte Stadt war das alles dominierende Leitbild der Moderne, vor allem im Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Auto mit seinen raumgreifenden Erfordernissen für den fließenden und ruhenden Verkehr legte sich wie eine Folie über den gesamten Stadtkörper bis in seine feingliedrigsten Elemente. Mit der Klimakrise ist die sich immer weiter ausdehnende individuelle Mobilität in die Kritik geraten. Ein Paradigmenwechsel hin zu Entschleunigung und weniger schädlichem Autoverkehr in den Innenstädten eröffnet neue Chancen für den öffentlichen Raum und eine Renaissance des Stadterlebnisses.

Die diesjährige Jahrestagung Städtebauliche Denkmalpflege stellt Fragen, wie sich verändertes Mobilitätsverhalten auf das Stadtgefüge auswirkt, welche neuen Qualitäten von Stadträumen und Nutzungsformen gewonnen werden können, aber auch wie mit den überkommenen Verkehrsbauten umzugehen wäre.

Download des Flyers mit Programm:
BEWEGUNG IN DER STADT: Mobilität und Denkmalpflege (PDF 1,9MB)

Termin:
Donnerstag, 29. Oktober 2020

Uhrzeit:
9.00 bis 17.00 Uhr

Veranstaltungsort:
Gebläsehalle der Henrichshütte, Hattingen
Werksstraße 31-33

D-45527 Hattingen

Zur Anmeldung:
BEWEGUNG IN DER STADT! -ANMALDUNG
(Anmeldeschluss 16.10 2020)

Anfahrtsskizze auf der Homepage:
www.lwl.org/industriemuseum/standorte/henrichshuette-hattingen


Stadt unter Druck!
Klimawandel und kulturelles Erbe

Ein Rückblick auf die
Jahrestagung
Städtebauliche Denkmalpflege 2019:


Fotos: Uwe Grützner

Die sehr gut von interessiertem Fachpublikum besuchte Jahrestagung der Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege 2019 in der Kokerei Hansa in Dortmund stellte unter den verschiedenen Schwerpunkten der drei Themenblöcke die bestehende und historisch wertvolle Stadt ins Zentrum. Besondere Aufmerksamkeit galt der Rolle der städtebaulichen Denkmalpflege und deren Gewichtung bei Planungsprozessen. Wachsender Veränderungsdruck macht Antworten auf die Fragen dringlich, ob und wo Nachverdichtung oder Erneuerung möglich sei, welche Bedeutung Freiräume haben und wie auf den Klimawandel zu reagieren sei. In der Rückschau haben die Antworten auf die breit gefächerte Fragestellung das notwendige Handeln konkretisiert.

Nach den Grußworten zur Tagung von Karl Jasper, dem Vorsitzenden der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, und Thomas Schürmann vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW hat Prof. Christa Reicher stellvertretend für die Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege die Aktualität der Themenstellung umrissen: Während einerseits der Druck auf die Nachverdichtung von (historischen) Innenstädten zunimmt, wird andererseits die Forderung nach mehr Freiraum und Grün lauter. Dieses Spannungsfeld ist im Rahmen des Einführungsvortrages und der drei Themenblöcke vertieft worden.

Den Konferenzauftakt machte der Stadtklimatologe Dr. Ulrich Reuter aus Stuttgart mit seinem Vortrag „Die europäische Stadt vor den Herausforderungen des Klimawandels“ klar, dass rein rechtlich gesehen Gebäude Bestandsschutz genießen und Klimafragen schon lange in der Planungsgesetzgebung verankert seien, aber noch zu allgemein formuliert seien.

Das Beispiel des Schlossplatzes in Mainz, vorgetragen von Thomas Metz, Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, machte die Probleme anschaulich, will man verschiedenen Zeitstufen in der Entwicklung und zugleich der städtischen Zukunft gerecht werden. Auslöser ist immer wieder der Nutzungsdruck für außer Funktion geratene historische Bauten, in diesem Falle für das Schloss. Soll hier nachverdichtet werden z.B. mit einer Erweiterung des Gutenbergmuseums? Soll der Platz barock rekonstruiert werden? Wie ist die Gemengelage denkmalpflegerisch zu bewerten, wie die Wertigkeit der Bausubstanz aus der Nachmoderne zu vermitteln? Soll man was ganz Neues wagen mit neuen ökologischen Konzepten? Angepasste Rahmenpläne und interdisziplinäres Verwaltungshandeln könnten durchaus auf der Basis der bestehenden Baugesetzgebung die Weichen stellen – und sei es, dass bei der Erarbeitung von Rahmenplänen die vorhandenen „Schätze“ an Grün- und Freiflächen in der Stadt neu entdeckt werden, wie Thomas Visser aus Krefeld berichtete und wie sie Düsseldorf neu in Wert setzen will im Rahmen der Zukunftsperspektive „Grün-Blauer-Ring“. Dr. Dorothee Boesler vom LWL Münster merkte in diesem Zusammenhang an, dass begleitende Forschung zur Klimaanpassung historischer Gärten noch ausstehe. In dem Maße wie der Nutzungsdruck durch eine zunehmend an Freiluftaktivitäten interessierten Gesellschaft steigt, wird der Aufwand für die Pflege zurückgefahren, um Kosten zu sparen.  Eine fatale Entwicklung! Außerdem steige der Versiegelungsdruck z.B. auf Sportplätze. Noch fehle der erforderliche gesellschaftliche Konsens zum Erhalt von Parks als Kulturgut mit ökologischem Nutzen.

Aus rein rechtlicher Sicht gebe es überraschend viele Klimaschutzregeln im Baurecht, analysierte die Fachanwältin Claudia Schoppen, aber sehr wenige Fälle, in denen diese Regeln in Streitfällen problematisiert worden seien. Von Gesetzes wegen seien Abweichungen von den Vorschriften möglich, wenn baukulturelle Belange dem entgegen stünden – aber werden solche Möglichkeiten zugunsten der städtebaulichen Denkmalpflege auch angewendet? „Städtebauliche Sanierung“ sei wegen energetischer Mängel förderfähig – aber auch wegen denkmalpflegerischer Aspekte? In der nachfolgenden Diskussion regte Thorsten Brokmann, Untere Denkmalbehörde der Stadt Herne und Vorsitzender des Arbeitskreises der Denkmalpfleger im Ruhrgebiet, an, den Gestaltungsbeiräten Denkmalbeiräte zur Seite zu stellen, um den Belangen der bestehenden gebauten Stadtstruktur mehr Aufmerksamkeit zu verleihen. Noch ist das Denken und Planen zu stark auf den Neubau fokussiert und das Wissen um Aufgaben der Sanierung sei schon in der Ausbildung unterrepräsentiert, wie Prof. Dr. Norbert Schöndeling von der Technischen Hochschule Köln in der Diskussionsrunde zugab. Dabei würde sich eine Sanierung des Bestandes nur in 12 % der Fälle nicht lohnen und tatsächlich betrifft inzwischen der weitaus größte Teil der Aufträge von Architekten den Umbau im Bestand. So gesehen berge die „Stadt unter Druck“ auch Chancen – sogar für kleinere Städte zur Neubelebung von Leerständen und bestehenden Grünräumen durch mehr Wertschätzung. Aber alle diese Prozesse brauchen viel Sachverstand, koordiniertes Planen, Verwaltungshandeln und einen langen Atem aller beteiligten Disziplinen – insbesondere der Stadtplanung und der Denkmalpflege.

Dr. Gudrun Escher für die Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege


Jahrestagung Städtebauliche Denkmalpflege 2019

Stadt unter Druck!
Klimawandel und kulturelles Erbe

Mit dem wachsenden Anspruch an Verdichtung und intensive Flächenausnutzung geraten unsere Städte zunehmend unter Druck: sozial, politisch, infrastrukturell und nicht zuletzt ökologisch. Hitzewellen, Starkregen und Luftverschmutzung führen uns deutlicher denn je vor Augen, dass eine sozial-ökologische Wende dringend erforderlich ist, um dem Klimawandel konstruktiv zu begegnen.
Wenn man auf ökologisch optimierte Stadtstrukturen, Bauten und Lebensweisen umstellen möchte, müssten unsere Städte und urbaner Alltag wohl völlig anders aussehen. Doch noch (er)trägt uns die „Europäische Stadt“, noch können wir uns an Gründerzeitquartieren erfreuen, Baudenkmäler hegen und gleichzeitig Stadtquartiere nachverdichten und viel Neues bauen. Mehr denn je drängt sich jedoch die Frage auf, wie eine kluge nachhaltige Transformation der uns vertrauten und kompakten Stadt hin zu sozial-ökologisch nachhaltigen Stadtstrukturen, Freiräumen und Gebäudebeständen aussehen muss.
Die diesjährige Jahrestagung Städtebauliche Denkmalpflege setzt an dieser Fragestellung an. Sie widmet sich der Wechselbeziehung von ökologischer Nachhaltigkeit und kulturellem Erbe in der Stadt und möchte diese Fragen diskutieren: Wie lassen sich Widersprüche zwischen dem Erhalt erhaltenswerter Bestandsstrukturen und ökologischer Anforderungen lösen? Wo liegen Konflikte aber auch Synergien zwischen Klimaanpassung und Sicherung des kulturellen Erbes in der Stadt? Was von all dem, das uns an Stadtbildern und Stadtidentität lieb und vertraut ist, müsste auf den Prüfstand? Lässt sich eine Balance zwischen dem Erhalt von wertvoller und denkmalgeschützter Bausubstanz, dem Anliegen nach Verdichtung und dem Wunsch nach mehr Freiraum und Durchlüftung herstellen? Welche Instrumente können dabei helfen?

Termin:
Donnerstag, 31. Oktober 2019

Uhrzeit:
9.00 – 18.00 Uhr

Veranstaltungsort:
Kokerei Hansa, Dortmund

Download des Flyers mit Programm:
STADT UNTER DRUCK! -FLYER

Zur Anmeldung:
STADT UNTER DRUCK! -ANMALDUNG
(Anmeldeschluss 18.10 2019)


Big Beautiful Buildings. Als die Zukunft gebaut wurde
Ein Rückblick auf die Internationale Konferenz 2018:

Fotos: Uwe Grützner

Die Jahrestagung der Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege 2018 war den Big Beautiful Buildings, den Großbauten der zweiten Moderne seit den 1950er Jahren gewidmet. Den Auftakt bildete ein Tag mit Exkursionen und der Eröffnung der Ausstellung „Modern gedacht!“ des M:AI im Technischen Rathaus in Bochum, selbst ein Großbau der damaligen Zeit. Die benachbarte Christuskirche, als Wiederaufbau 1956 entworfen von Dieter Oesterlin, bot den inspirierenden Rahmen für die eigentliche Tagung am Folgetag mit 25 Wortbeiträgen in einem dichten, vielfältigen und international ausgerichteten Programm. Alle Veranstaltungsteile fanden großen Zuspruch.

Die Vielzahl der Bauwerke der Zweiten Moderne nach 1950, die aus nationalem und internationalem Kontext dargestellt wurden, belegte anschaulich das, was Klaus Jan Philipp in seiner Festrede am Vorabend bereits dargelegt hatte: die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, die Fülle ganz unterschiedlicher Konzepte, die sich einer Stilsystematik verweigern, aber auch die beeindruckende Innovationskraft. Aus Unterlagen des Deutschen Städtetages analysierte Raimund Bartella, wie damals der Wille zur Modernität bei gleichzeitigem Wachstumsdruck einherging mit einem Defizit an konsistente Planung, zugleich aber bereits begleitet wurde von mahnenden Diskussionen darüber „wie wir in Zukunft leben wollen“ – Diskontinuitäten zwischen sehr groß und kleinteilig, die sich im Bild der Städte niederschlugen.

Mit steigender Aufmerksamkeit wächst die Wertschätzung für die Bauten der Zeit, aber auch die Kritik, die Uwe Kammann am pointiertesten zum Ausdruck brachte – Kritik an teilweise nicht menschengerechten Dimensionen, schlecht alternden Materialien und gelegentlich utopischen Nutzungsideen mit mangelndem Bezug zur Lebenswirklichkeit. Wie groß die Unsicherheit in der Bewertung noch ist wird deutlich, wenn die britische Großwohnanlage Trellick Tower im selben Jahr sowohl unter den TOP 3 der hässlichsten wie der schönsten Bauwerke in Großbritannien gekürt wurde. Aus Sicht der Denkmalpflege seien aber keine gesonderten Kriterien für die Bewertung dieser Baustufe erforderlich. Dennoch bleibt die Frage, was erhalten werden solle und warum, ohne die wichtige gesellschaftliche Aufgabe den Zufällen emotionaler Zuwendung zu überlassen. Manches müsse uns lieb, aber auch teuer sein, meinte Anne Katrin Bohle im Grußwort des NRW-Bauministeriums. Die Grundlage können Bestandserfassungen liefern wie geschehen für die Nachkriegskirchen in NRW, denen nun die öffentlichen Gebäude folgen sollen, aber einen vorab festgelegten Rahmen von 100 erhaltenswerten Bauwerken wie in den Niederlanden hielt man nicht für zielführend. Nur die Leuchttürme erhalten oder Typisches bzw. Prototypisches, fragte Katja Hasche vom Forschungsverbund „Welche Bauwerke welcher Moderne“.

Als Ergebnis der Tagung kann festgehalten werden, dass Fragen der Denkmalwürdigkeit zu ergänzen wären um Fragen der Zukunftsfähigkeit und die Diskussionen um Schönheit in eine solche um Qualitäten münden müsse, wenn Baukultur – und notwendigerweise zunehmend auch „Umbaukultur“ – befördert werden solle. Es wurde klar, dass hier komplexe Geflechte in Rede stehen, einschließlich technischer Infrastruktur, einschließlich Landschaftsbauwerken wie im Ruhrgebiet den Revierparks, einschließlich Bildungslandschaften. Welche Innovationen in den Bauten repräsentiert sind, technisch, sozial, kulturell, werde erst im internationalen Vergleich deutlich. D.h. der Austausch auf internationaler Ebene, wie er im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres 2018 angestoßen wurde und wie ihn die Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege mit dieser Tagung praktiziert hat, müsse intensiviert fortgeschrieben werden. Oliver Elser, Kurator der Ausstellung „SOS Brutalism“ im Deutschen Architekturmuseum, wünscht sich Erhaltungswege jenseits des formellen Denkmalschutzes, um den Umgang mit diesen Bauwerken einzuüben unter Berücksichtigung der Fragen der Nachhaltigkeit und der Einbindung in den heutigen Kontext. Constantin Alexander sieht aus seinen Erfahrungen mit dem Ihme-Center in Hannover heraus sogar die Chance für eine neue „Kulturtechnik des Reparierens“. „Mission (im)possible“ also, wie Christa Reicher stellvertretend für die Fachgruppe in ihrem Schlusswort resümierte!

Dr. Gudrun Escher für die Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege


Internationale Konferenz 2018:
Big Beautiful Buildings. Als die Zukunft gebaut wurde

Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege

Die Vergangenheit hinter sich lassen und eine bessere Zukunft aufbauen – das war der Geist, der die Nachkriegszeit geprägt hat. In vielen Ländern Europas ging es nicht nur wirtschaftlich bergauf, auch in Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft waren die 1950er bis 1970er Jahre unvergleichlich innovativ. Heute ist diese Zeit längst Geschichte, aber geblieben ist ihre Architektur: moderne Schulen, Universitäten und Rathäuser, Kirchen, Kaufhäuser und Wohnsiedlungen. Es waren Bauwerke für eine bessere Zukunft, nun sind sie das Erbe der Vergangenheit und zugleich eine wichtige Zeitschicht in unseren Städten.

Und gerade die Bauten und Großstrukturen, die seit dem Ende des zweiten Weltkrieges in den europäischen Städten errichtet worden sind, werden von der Allgemeinheit wenig geschätzt. Für dieses vielfach negative Image lassen sich verschiedene Gründe anführen. Diese reichen von einer sperrigen Materialität, einer Sanierungsbedürftigkeit bis hin zu einer mangelnden Integration in den Kontext. Zugleich keimt eine neue Wertschätzung im Umgang mit den Bauten und Strukturen der Nachkriegsära auf.

Die Konferenz, die am 30. und 31. Oktober 2018 in der Christuskirche Bochum stattfindet, ist ein Baustein des gleichnamigen Projektes „Big Beautiful Buildings“ (BBB) im Europäischen Kulturerbejahr 2018 „Sharing Heritage“.

Das Programm im Einzelnen: sh.PDF
Das Programm zu Bustour: sh. PDF

Termin: 30. / 31. Oktober 2018

Ort: Christuskirche I Kirche der Kulturen, Platz des europäischen Versprechens, Bochum

Die Tagung wird durchgeführt in Kooperation mit StadtBauKultur NRW 2020  /
Ruhrmoderne e.V.  /  BDA NRW  / Werkbund NRW  /  DASL / Wüstenrot Stiftung


 „Mit den Riesen auf Augenhöhe“ – vor Ort

 Die Veranstaltungsreihe „Mit den Riesen auf Augenhöhe“, die im Herbst 2017 in Kooperation mit den örtlichen Volkshochschulen zu ausgewählten Großbauten der 1960er und 1970er Jahre durchgeführt wurde, fand reges Interesse in der Öffentlichkeit. Für diese Kooperation sagen wir großen Dank! Aufbauend auf der gleichnamigen Studie (Download der Studie) wurden Veranstaltungen in Aachen, Bochum, Bonn, Essen, Dortmund, Duisburg, Gronau, Köln, Marl und Paderborn (Veranstaltungsflyer) konzipiert. Leider konnten aus terminlichen Gründen die Veranstaltungen in Gronau und Paderborn nicht stattfinden.

Unsere Hoffnung, auf diese Weise mit vielen unterschiedlichen Menschen ins Gespräch zu kommen und sie für die Architektur solcher Großbauten zu interessieren, wurde voll erfüllt. Das Echo war insgesamt sehr positiv – und sei es auch nur, dass die Aussicht, in sonst verschlossene Gebäude hineingehen und z.B. auf das Dach gelangen zu können wie bei dem Stadthaus in Bonn, attraktiv genug war, um sich mit dem Gesamtkomplex auseinander zu setzen. Allerdings ist es uns nicht gelungen, die Medien in breiterem Umfang zu interessieren – abgesehen von einzelnen örtlichen Nachberichten in Aachen über den Bushof und in Dortmund über den Besuch im DoC Medical Center in der Innenstadt sowie über den – weiterhin bewohnten und voll vermieteten! – Wohnkomplex „Hannibal I“.

Wollte man ein Fazit aus den Diskussionen ziehen, an denen Laien ebenso wie Fachleute verschiedener Disziplinen teilnahmen, so etwa dieses: Groß zu denken war ein Zeichen der damaligen, ganz auf Wachstum ausgerichteten Zeit. Um den Zusammenhang zu verstehen lohnt es sich, die umfangreichen Bauwerke der 1960er und 1970er Jahre näher zu untersuchen, ihre ursprüngliche Intention aufzudecken und sich bewusst zu machen, wie sie – und warum – heute im Stadtraum verortet sind. Das galt für die „Weißen Riesen“ in Duisburg-Hochheide oder das Ingenieurwissenschaftliche Zentrum in Köln, deren ganzer oder teilweiser Abriss beschlossene Sache ist, ebenso wie für den Bushof in Aachen, über dessen Schicksal die Entscheidung noch aussteht. Einige Führungen wurden von Beteiligten aus Fachämtern oder Planungsbüros begleitet, die mit Sanierungen befasst waren bzw. sind. Auch flossen persönliche Erinnerungen von am Bau Beteiligten und Beobachtungen von Menschen mit Ortskenntnis ein. Die intensiven Gespräche, die daraus resultierten, eröffneten für viele Teilnehmende einen neuen Blick auf Bauwerke, die sie bisher kaum beachtet hatten oder nur unter dem Pauschalurteil „Betonklötze“ kannten. So wurde das DoC in Dortmund nach dem denkmalgerechten Umbau als „stadtbild- und geschichtsprägend“ anerkannt. Wichtigste Neuerung dort die Öffnung zum Stadtraum, eine bessere Orientierung im Gebäude und mehr Licht.

Heute als zu eng und zu dunkel empfundene Zugänge und Treppenhäuser fielen mehrfach negativ auf. Oder das Fehlen klar definierter Übergänge zwischen drinnen und draußen; auch wurden Defizite in der Einbindung in den öffentlichen Raum erkennbar. Der Mangel an Aufenthaltsqualität im Umfeld, meist weil wie in Marl die Pflege fehlt, von kontinuierlicher Bauwerkserhaltung ganz zu schweigen. Das fällt besonders an den Hochschulen auf. Bei der Diskussion über die einzeln stehenden Wohnhochhäuser in Duisburg kam sogar der Verdacht auf, dass da ein theoretisches Konzept verfolgt worden sei, das sich nicht mit der Lebenswirklichkeit deckt, ungeachtet dessen, dass die Wohnqualität in den Wohnungen sehr hoch ist; ebenso wie bei dem Dortmunder Beispiel. Dass die Architektur jener Zeit eine zutiefst „demokratische“ sei, kam ausgerechnet bei dem nicht öffentlich zugänglichen Verwaltungsgebäude von Karstadt in Essen zur Sprache: ablesbar an dem stets gleichförmigen liegenden Raster der Fassaden. Diese Beobachtung trifft auch auf andere Beispiele zu, deren hohe Qualität in der Komposition der Baumassen erst bei näherem Hinsehen erkennbar wurde. So haben die Begehungen ein neues Verständnis für die Architektur der Zeit geweckt, ihre technische Innovationskraft wie beim Systembau des „Hannibal“ oder dem Ingenieurwissenschaftlichen Zentrum und gelegentlich auch ihre Experimentierfreudigkeit wie bei der Ruhr-Universität eröffnet. Darauf ließe sich aufbauen und darauf sollte aufgebaut werden. Lieber abreißen, war nirgends das Fazit.

Dr. Gudrun Escher für die Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege


Rückblick auf die Jahrestagung Städtebauliche Denkmalpflege 2017

WEITER BAUEN – Werkzeuge für die Zeitschichten der Stadt

Die Veranstaltung zeigte, dass das Thema „Entwicklung moderner Werkzeuge für Zeitschichten der Stadt“ auf unterschiedliche Weise, mit teilweise sehr kreativen Ansätzen, beantwortet werden kann. Diese reichen von der neu interpretierten  Anwendung traditioneller Instrumente, wie etwa der Ausweisung eines heterogenen Altstadtquartiers in Bad Hersfeld als  Sanierungsgebiet bis hin zu den Versuchen der Initiative „Brutalismus im Rheinland“, die vom Abriss bedrohten Gebäude der Nachkriegszeit durch Internetauftritte und Aktionen zu erhalten.

 Foto: Uwe Grützner

Nach den Grußworten zur Tagung wagte der Historiker Prof. em. Dr. Lucian Hölscher in seinem Einstiegsvortrag einen Blick in die Zukunft. Die aufeinander folgenden Phasen von Errichtung, Nutzung, Überbauung und schließlich Entsorgung von Bauten verweisen – so Hölscher – auf eine Dialektik von Utopie und Enttäuschung in den Architektur- und Stadtplanungen des 20. Jahrhunderts. Den Bauwerken der Gegenwart ist demnach eine spezifische Zukunftsästhetik inhärent, die der neuen Gesellschaft der Zukunft eine visuelle Signatur zu geben verspricht. Anhand des diagnostizierten Befundes befand Hölscher, dass wir „am Beginn einer neuen Phase des Aufbruchs“ stünden, was einige Zuhörer*innen etwas ratlos zurück ließ. Unabhängig davon, hätte man sich gewünscht, dass dieser Vortrag die Tagung abgeschlossen hätte. Viele der an der mitunter düsteren Praxis leidenden Denkmalpfleger*innen und historisch interessierte Stadtplaner*innen hätten getröstet den Heimweg angetreten können.

Die nachfolgenden Beiträge befassten sich dann mit den ganz realen Problemen einer durch Wachstum, Verdichtung und Ergänzung gekennzeichneten Stadtentwicklung, wobei augenfällig war, dass Schrumpfungsprozesse nur am Rande thematisiert wurden. Ein Desiderat, was einer zukünftigen Tagung vorbehalten sein könnte.

Eher theoretisch näherte sich Hans-Rudolf Meier, Professor für Denkmalpflege und Bauforschung an der Bauhaus-Universität Weimar dem Thema „Werkzeuge für die Zeitschichten der Stadt“. Er fragte nach den Aufgaben einer zukunftsgerichteten Denkmalpflege, die, über die rein defensive Verteidigung des Bestandes, prospektiv agieren und sich frühzeitig in Planungsprozesse einbringen müsste. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die für die institutionelle Denkmalpflege erwartbaren Chancen und Potentiale durch einen hohen Grad von Partizipationsaufwand unterfüttert werden.

In diesem Kontext zeigte das von Judith Sandmeier, Referentin beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, vorgestellte Kommunale Denkmalkonzept (KDK), wie das Dilemma unzureichende Personalressourcen der Denkmalbehörden und wachsender gesellschaftlicher Ansprüche gelöst werden kann. Beim KDK werden auf Grundlage denkmalpflegerischer Erhebungsbögen unter Federführung der Kommunen dem jeweiligen Ort geschuldete spezifische Konzeptionen erarbeitet, in die alle Beteiligten eingebunden werden. Von der „Analyse zur Konzeption“,  so könnte man diese Herangehensweise charakterisieren, die vorerst in 20 kleineren Orten in Bayern erprobt wird. Eher dazu im Kontrast steht die überschaubare Aufgabe der Konversion denkmalwerter Kasernen in Münster, die von Siegfried Thielen vorgestellt wurde. Auf Grundlage eines großen Erfahrungsschatzes in der Umnutzung von ehemaligen Kasernen, konnten  inzwischen die städtebaulichen Konzepte mittels eines ganzheitlichen und intensiven dialogorientierten Ansatzes für zwei weitere seit 2012 aufgegebene Kasernen erarbeitet werden.

Im 2. Block zeigten Akteure auf, wie ein moderner „Werkzeugkasten“ zum Erhalt sperriger Bauten der Nachkriegszeit intelligent gefüllt werden kann. So setzt sich die Initiative „Brutalismus im Rheinland“, die von Anke von Heyl vorgestellt wurde, über soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram für den Erhalt „brutalistischer“ Bauten im Rheinland ein und erreicht damit ein breites internationales junges Publikum weit über das Rheinland hinaus. Über die Webseite www.brutalisten.de sammeln die Akteure Informationen und betreiben einen Blog. Als Teil einer international agierenden Bewegung gelingt es ihr damit den Unterstützerkreis für den Erhalt der Nachkriegsmoderne signifikant zu erweitern. Einen anderen Weg zeigte Theo Deutinger mit der von ihm gegründeten Initiative „Ruhrmoderne“ auf. Sie betrachtet das Erbe der Moderne der Nachkriegszeit im Ruhrgebiet nicht unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten. Vielmehr möchte die Initiative die Nachkriegsarchitektur, nach ihrer Hochblüte zur Zeit ihrer Erbauung und ihrem Verfall Ende des vorherigen Jahrhunderts, in einen Transformationsprozess überführen, um sie vor der drohenden Vernichtung zu bewahren: ein schönes Beispiel für die Materialisierung der weiter oben erwähnten Überlegungen von Hölscher. Die Initiative „Kerberos. Zum Schutz Berliner U-Bahnhöfe“, für die Ralf Liptau anwesend war, hat sich dem Erhalt der Berliner U-Bahnhöfe der Nachkriegszeit verschrieben. Ausgelöst durch das Sanierungsprogramm der Berliner Verkehrsbetriebe, dem schon zahlreiche Stationen zum Opfer fielen, haben sie in einem offenen Brief auf den baukulturellen Wert der U-Bahnhöfe hingewiesen und damit das Interesse der Öffentlichkeit und schließlich der institutionellen Denkmalpflege geweckt. Seither sind einige der 173 U-Bahnhöfe unter Schutz gestellt worden. Weitere sollen folgen. Der Erfolg der Initiative ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass der Bevölkerung durch ihre tägliche Nutzung der Verlust, einiger der über Jahrzehnte vertrauten U-Bahnhöfe, schlagartig bewusst wurde. Dr. Christoph Rauhut vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz betrachtete schließlich die große Menge der zwischen 1950 und 1980 errichteten Gebäude in Deutschland, von denen ca. 40 Prozent Wohnbauten ausmachen. Diese stünden nur circa 20 Prozent Wohnbauten älterer, und in der Bevölkerung beliebterer Zeitschichten gegenüber. Die enorme Zahl zwinge dazu den Prozess von Erfassung und Erhaltung zu „demokratisieren“. Bildung, Interesseweckung, Begeisterung, Engagement von Künstlern und Initiativen, Gleichberechtigung von Denkmal und erhaltenswerten Bauten, das alles und noch einiges mehr könnten zu einem gesellschaftlichen Aufbruch, wie etwa in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts, führen, mit dem das Drama der großen Zahl beherrschbar würde. Der in der Diskussion aufkommende Begriff der „Schönheit“ als Auswahlkriterium, wäre unter diesem Ansatz nur einer von vielen.

Ein Thema, dass schon bei anderen Veranstaltungen der Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege eine Rolle spielte ist der Weiterbau, d.h. die Veränderung historischer Zeitschichten. Nunmehr aber unter dem Blickwinkel der Implementierung moderner Werkzeuge. Ein eindrucksvolles Beispiel wurde von Helga Sander, Stadterneuerungsgesellschaft Gelsenkirchen, für die Erneuerung der Bochumer Straße in Gelsenkirchen vorgestellt. Ankerpunkte des 800 Meter langen Straßenzuges sind eine architektonisch qualitätvolle expressionistische Kirche und mehrere unter Denkmalschutz stehende, wenngleich heruntergekommene, Gründerzeithäuser. Mit immobilienwirtschaftlichen Maßnahmen, wie Ankauf, Sanierung, Entwicklung und Beförderung neuer Nutzungen wurde von der Sanierungsgesellschaft ein innovativer Weg in der Stadterneuerung beschritten, der dem Quartier, einschließlich der Hinterhöfe, seine ursprünglichen Würde zurückgibt. Vor ganz anderen Problemen stand die Stadtplanung von Bad Hersfeld, die ein Altstadtquartier mit angrenzenden brach gefallenen Gewerbe- und Einzelhandelsflächen städtebaulich revitalisieren will. Hier griff man auf das bewährte Instrument der Sanierungssatzung zurück, mit dem die heterogenen Stadtbereiche, unter großzügiger Entwicklung grün-blauer Infrastruktur, zu einem harmonischen Stadtraum entwickelt wurden. Während bei dem Beispiel aus Gelsenkirchen der Prozess der Erneuerung durch eine Grundstücksübertragung, mit anschließender Vermarktung, an die Stadterneuerungsgesellschaft realisiert werden konnte, stand in Bad Hersfeld die Städtebauförderung des Landes Hessen im Vordergrund. Für das Land Nordrhein-Westfalen, berichtete zum Schluss der Vortragsreihe Christine Kalka von dem Landesprogramm „Städtebaulicher Denkmalschutz“, das als ganzheitlicher, stadtplanerisch-integrierter Ansatz verstanden wird. Mit ihm ist beabsichtigt die historischen Altstädte und Stadtbereiche als vitale Räume für alle Bereich des Lebens und für alle Gruppen der Stadtgesellschaft zu erhalten und weiter zu entwickeln. Nicht nur der physische Erhalt der denkmal- und erhaltenswerten Gebäude steht dabei im Vordergrund sondern gleichberechtigt sind auch „weiche“ Faktoren, wie etwa soziale, gesundheitliche und ökonomische Aspekte.

 Foto: Uwe Grützner

In ihrem  Schlusswort ließ Prof. Christa Reicher von der Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege die Themen der Referate in ihren Kernaussagen prägnant Revue passieren. Darunter den Gedanken von Prof. Hölscher im Eingangsreferat, nach denen sich Bauten auch von depressiven Phasen erholen können. In den Amplituden der Zeitschichten folge auf eine Phase der Enttäuschung regelmäßig eine Phase des konstruktiven Aufbaus. Dem würde sie sich gerne anschließen.

Rainer Rossmann für die Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege

Der Veranstaltungsflyer: Tagung-2017.pdf


Rückblick auf die Jahrestagung 2016 der Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege

„JENSEITS DES GEBAUTEN – Öffentliche Räume in der Stadt“

Mit etwa 150 Teilnehmenden traf die fünfte Jahrestagung der Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege wieder auf ein interessiertes Fachpublikum. Das Themenspektrum der Referate und Diskussionsbeiträge bestätigte die Aktualität und Notwendigkeit einer intensiveren Beschäftigung mit dem öffentlichen Raum, ließ aber auch die Breite der Fragestellungen deutlich werden. Für eine Stadtplanung, die die öffentlichen Räume einbezieht, stelle die Städtebauliche Denkmalpflege eine wesentliche Leitlinie dar, noch aber werde der Fokus zu stark auf die Objekte selbst gelegt statt die Umgebung mit zu denken.  Mit den Instrumenten des Denkmalschutzes öffentliche Räume zu fassen, ist nicht einfach, zumal sie als Begriff im Handbuch der Städtebaulichen Denkmalpflege nicht enthalten seien, wie Dorothee Bloesler, LWL- Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen, in ihrem Eingangsreferat ausführte. Elke Janßen-Schnabel vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland skizzierte später den Stand der Praxis. In Grenzfällen spreche man von einem „denkmalpflegerischen Interessensgebiet“ und versuche gemeinsam mit der Stadtplanung einen Leitfaden für die künftige Ausgestaltung zu erarbeiten. Beide trugen mit den Kernaussagen zum Thema bei, dass öffentliche Räume immer von gebauten Anlagen gefasst und dreidimensional zu denken seien und dass der Grundriss der Stadt das wichtigste Denkmal darstelle.

Tagung 2016Foto: Uwe Grützner

Als Einstieg ins Thema ließ Raimund Bartella, Kulturreferent des Dt. Städtetages, da er selbst erkrankt war, sechs Thesen zur kommunalen Kulturpolitik verlesen. Demnach zeige sich in den öffentlichen Räumen die Identität der Stadt, ihre Integrationsfähigkeit und Vielfalt und ihr Wille zu einer ressortübergreifenden qualitätsvollen Ausgestaltung. Kurz, der öffentliche Raum sei der Spiegel der Gesellschaft. Aktuell wird er positioniert zwischen einer „Verbetriebswirtschaftlichung“ (Bartella) und der Urbanisierung von Grün als „Alleskönnerraum“ (Christa Reicher) oder Verfügungsmasse unter städtebaulichem Wachstumsdruck. Er umfasst alles, Straßen und Plätze, Verkehrsbauwerke und Grünflächen oder aufgelassene Industrieanlagen mit einer Fülle administrativer Zuständigkeiten und doch ist er mehr als die Summe seiner Teile. Umso mehr gelte es, integrierte Handlungskonzepte auf solider historischer Analyse und im Austausch von Erfahrungen mit allen Akteuren aufzubauen und politisch abzusichern, einer Aufgabe, der sich alle Städte gegenübersehen, wie Berichte aus Zürich (David Ganzoni), Kopenhagen (Oliver Schulze) oder Paderborn (Claudia Warnecke) veranschaulichten.  Öffentliche Räume sind, das wurde klar herausgearbeitet, nicht das, was übrig bleibt, sondern wertvolle Möglichkeitsräume für das Ausbalancieren von Zielkonflikten und Nutzungskonkurrenzen und als solche riesige Denkräume „Jenseits des Gebauten“.

Dr. Gudrun Escher für die Fachgruppe Städtebauliche Denkmalpflege

Der Veranstaltungsflyer:flyer-2016


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